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SüdSan: Modellsanierungen in der Südtiroler-Siedlung Bludenz

Im Rahmen des Projekts SüdSan wurden zwei Mehrfamilienhäuser in der baukulturell wertvollen Südtiroler Siedlung instandgesetzt, modernisiert, leicht erweitert und energetisch saniert.

Die beiden Wohngebäude mit 5 bzw. 10 Wohneinheiten sind repräsentativ für das Marktsegment der kleineren Mehrfamilienhäuser der 1920er- bis 1960er-Jahre, das etwa 13 Prozent des Wohnungsbestands in Österreich ausmacht. Sie waren nahezu im Originalzustand, hatten einen sehr schlechten Wärmeschutz und wurden ausschließlich über Einzelöfen und/oder direkt-elektrisch beheizt. Die Warmwasserbereitung erfolgte dezentral über Elektroboiler. Beide Gebäude gehörten mit Endenergieverbräuchen von etwa 275 kWh/(m2WNFa) für Heizung und Warmwasser zu den energetisch schlechtesten Mehrfamilienhäusern Österreichs. Trotz des sehr hohen Energieverbrauchs war die thermische Behaglichkeit vor der Sanierung sowohl im Winter als auch im Sommer sehr unzureichend

Walser Fotografie Hohenems
Kleines Gebäude vor und nach Sanierung

Um die Auswirkungen der energetischen und ökologischen Qualität der Gebäudehülle sowie der Konzepte für Lüftung, Wärmeversorgung und Solarenergie auf Investitions- und Lebenszykluskosten zu quantifizieren, wurden zahlreiche Varianten detailliert geplant und modular ausgeschrieben. Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen zeigten, dass energetisch hochwertige Varianten niedrigere Lebenszykluskosten erzielen als mittelmäßige. Daher wurden beide Gebäude in sehr guter Qualität saniert.

Obwohl die Mehrkosten für eine höhere energetische Qualität vergleichsweise gering ausfielen, konnten die Sanierungen nur durch hohe Sonderförderungen des Landes realisiert werden. Grund dafür waren die insgesamt hohen Kosten für Instandsetzung und Modernisierung sowie fehlende Sanierungsrücklagen. 

Das Projekt verdeutlicht ein strukturelles Problem bei der Sanierung gemeinnütziger Wohngebäude: Die gesetzlichen Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) zu Höhe und Verwendung der Sanierungsrücklagen (EVB) sowie zu den Möglichkeiten von Mieterhöhungen bzw. Erhöhungen des EVB lassen in vielen Fällen keine sozialverträgliche, umfassende Sanierung zu.

Projektpartner

  • Projektleitung: Martin Ploß, Energieinstitut Vorarlberg
  • Alpenländische Gemeinnützige WohnbauGmbH
  • Universität Innsbruck, Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften, Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen
  • AEE Institut für Nachhaltige Technologien
  • Johannes Kaufmann und Partner GmbH
  • E-PLUS Planungsteam GmbH  

    Projektdetails

    • Projektname: SüdSan - Sozialverträgliche, klimazielkompatible Sanierung zweier Mehrfamilienhäuser in der Südtiroler-Siedlung in Bludenz
    • Projektzeitraum: 01.01.2022 bis 31.12.2024
    • Gesamtkosten: EUR 1.378.849
    • Förderrahmen: EUR 714.556

    Dieses Projekt wird mit Mitteln der FFG und des Landes Vorarlberg gefördert.

    Ziele

    In den letzten 10 bis 15 Jahren war die Zahl umfassender Sanierungen von Mehrfamilienhäusern in Vorarlberg wie auch in ganz Österreich deutlich zu gering. Da zudem die durchschnittliche energetische Sanierungsqualität nur mittelmäßig war, konnte in den vergangenen 30 Jahren der österreichweite Endenergieverbrauch des Wohngebäudeparks für Heizung und Warmwasserbereitung nicht gesenkt werden. In Vorarlberg stieg er sogar deutlich an, da die Einsparungen durch Abriss und energetische Sanierung den zusätzlichen Verbrauch der neu errichteten Gebäude nicht kompensieren konnten.

    Ein Grund für die geringe Sanierungsrate und -qualität ist der Mangel an nachvollziehbar aufbereiteten Daten zu den Kosten für Instandhaltung, Modernisierung und energetische Sanierung von Mehrfamilienhäusern sowie zu den Mehrkosten energetisch hochwertiger Sanierungen. Die Unsicherheit bezüglich der Sanierungskosten und der Finanzierbarkeit führt dazu, dass der Marktanteil energetisch hochwertiger Sanierungen sehr gering bleibt - obwohl zahlreiche innovative Sanierungsprojekte zeigen, dass hohe Energieeinsparungen auch in der Praxis erreichbar sind. 

    Das Projekt SüdSan zielt darauf ab, die breite Umsetzung energetisch hochwertiger Sanierungen kleinerer Mehrfamilienhäuser zu erleichtern. Dazu wird die technische Machbarkeit am Beispiel von zwei Gebäuden demonstriert und der Einfluss der energetischen und ökologischen Qualität auf Investitionskosten und Wirtschaftlichkeit quantifiziert. 

    Im Projekt wird untersucht, inwieweit klimazielkompatible Sanierungen kleinerer Mehrfamilienhäuser unter den aktuellen Randbedingungen - wie den gesetzlichen Regelungen zur Bildung und Verwendung von Sanierungsrücklagen sowie den bestehenden Förderungen -  sozialverträglich umgesetzt werden können

    Randbedingungen

    Die Sanierung der Gebäude erfolgte unter den folgenden Randbedingungen: Die Mehrfamilienhäuser befanden sich in einem schlechten Allgemeinzustand mit erheblichem Sanierungsstau, darunter Feuchteschäden und statische Mängel. Die Sanierungsrücklagen für die gemeinnützige Siedlung waren vor Beginn der Maßnahmen mit rund einer Million Euro im Minus. Die Sanierung wurde auf Wunsch des Bauherrn im bewohnten Zustand durchgeführt und über einen Generalunternehmer abgewickelt. Die beiden Gebäude hatten den Status ‚Erhalten

    Vorgehensweise und Projektablauf

    Da die Dachstühle der Gebäude aus statischen Gründen ohnehin neu errichtet werden mussten, wurde beschlossen, das Dachgeschoss beider Gebäude vollständig auszubauen, um jeweils eine zusätzliche Wohnung schaffen zu können.

    Nach dieser Grundsatzentscheidung zur leichten Wohnraumerweiterung wurden zahlreiche Sanierungsvarianten detailliert geplant, die sich unter anderem in der energetischen und ökologischen Qualität der thermischen Sanierung der Gebäudehülle sowie beim ·Lüftungs-, Wärmeversorgungs- und Solarkonzept unterschieden.

    Die Spezifika der untersuchten Varianten wurden modular ausgeschrieben, sodass die Investitionskosten für eine sehr große Anzahl von Ausführungsvarianten ermittelt werden konnten. Auf Basis dieser Investitionskosten sowie der Wartungs- und Energiekosten wurden die Lebenszykluskosten aller Varianten berechnet. Der zu erwartende Energieverbrauch jeder Variante war zuvor in automatisierten PHPP-Verbrauchsprognoseberechnungen ermittelt worden.

    Die Auswahl der Realisierungsvariante erfolgte auf Basis der Lebenszykluskosten. Dabei wurden bewusst für die beide Gebäude jeweils eine unterschiedliche Variante ausgewählt.

    Planung und Ausschreibung der Leistungen erfolgte im Jahr 2022, die Vergabe im März 2023. Die bauliche Umsetzung fand nach Zustimmung aller Mieter*innen und Klärung der Projektfinanzierung von April 2023 bis März 2024 statt. Die neuen Dachgeschoßwohnungen wurden im Februar und April 2024 bezogen.Seitdem wird das Monitoring der Energieverbräuche, der Effizienz der Wärmeversorgungssysteme, der thermischen Behaglichkeit sowie der Raumluftqualität durchgeführt.

    Die detaillierte Auswertung der abgerechneten Kosten konnte Ende 2024 abgeschlossen werden. Nach Vorliegen aller Kosten wurden diese systematisch erfasst und analysiert. Die ermittelten Kostenkennwerte, die Erfahrungen aus Planung und Umsetzung sowie die Ergebnisse des Monitorings dienen im weiteren Projektverlauf als Grundlage für das Energiekonzept und das städtebauliche Entwicklungskonzept der gesamten Siedlung.

    Beschreibung der Realisierungsvarianten

    Energetische Maßnahmen

    • Gebäudehülle: Beide Gebäude wurden auf einem sehr guten Hüllniveau saniert. Der HWBRef, RK des kleinen Gebäudes iegt beim kleinen Gebäude bei 29,3 kWh/(m2BGFa); der des großen Gebäudes bei 23,7 kWh/(m2BGFa). Während das kleine Gebäude ein Wärmedämmverbundsystem mit 24 cm Holzweichfaserplatten erhielt, wurde das große mit teils vorgefertigten Elementen ausgestattet, die aus Kreuzlagenhölzern bestehen und außen verputzt wurden.
    • Lüftung: In beiden Gebäuden erfolgt die Lüftung aller Wohnungen über eine zentrale Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung (WRG). Die Luftverteilung wurde so geplant, dass innerhalb der Wohnungen keine Lüftungsrohre erforderlich sind.
    • Heizung und Warmwasser: Das kleine Gebäude wird über eine modulierende Erdreich-Wärmepumpe beheizt, da große über eine ebenfalls modulierende Luft-Wärmepumpe. Die Wärmeverteilung erfolgt über ein Vierleitersystem mit Frischwasserstationen zur Warmwasserbereitung. Die besser orientierten Dachhälften wurden mit großen PV-Anlagen versehen, im kleinen Gebäude als Aufdach-, im großen als Indach-Anlage. Eine Besonderheit des großen Gebäudes ist das erstmals eingesetzte System einer Flächenheizung auf der Außenseite der Außenwand, das in die Fassadenelemente integriert wurde.

    Energieinstitut Voraralberg
    PV-Anlage im großen Gebäude

    Energieinstitut Vorarlberg
    Teil-vorgefertigte Kreuzlagenholzelemente, Flächenheizung und Zuluftverteilung

    Die wichtigsten Energiekennwerte beider Gebäude sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

    Ergebnisse EAW-Berechnung nach OIB RL6 (2029)  kleines Gebäude  großes Gebäude 
    HWBRef, RK kWh/m²BGFa 29,30 23,70
    PEBSK kWh/m²BGFa 51,90 52,00
    CO2 SK kg/m²BGFa 7,20 7,20
    fGEE - 0,50 0,52
    Ergebnisse Verbrauchsprognoseberechnung mit PHPP kleines Gebäude  großes Gebäude
    HWBPHPP kWh/m²EBFa 29,30 23,70
    EndenergieHeiz+WW kWh/m²EBFa 51,90 52,00
    EndenergieGesamt kWh/m²EBFa 7,20 7,20
    PV-Ertrag kWh/m²überbaute Fläche a 0,50 0,52

    Ergebnis: Der Endenergiebedarf des Gebäudes für Heizung und Warmwasser kann drastisch reduziert werden. Beide Gebäude haben sehr hohe PV-Erträge. Sie erreichen die Höchstpunktzahl in der Kategorie Energie und Versorgung des klimaaktiv Kriterienkatalogs 2020, das größere erreicht zusätzlich den Standard EnerPHit Plus, d.h. die Passivhausanforderung für Sanierungen sowie die Anforderung für Paris-kompatible Mehrfamilienhaus-Sanierungen.

    Instandsetzungsmaßnahmen

    Aufgrund des erheblichen Sanierungsstaus mussten außer den energetischen Maßnahmen tiefgreifende Instandsetzungsmaßnahmen sowie Modernisierungsarbeiten durchgeführt werden. Die aufwändigsten Maßnahmen sind nachfolgend in Fotos dargestellt.

    Rhomberg Bau GmbH
    Abdichtung der Kelleraußenwände und Beseitigung von Feuchteschäden

    Rhomberg Bau GmbH
    Ersatz des Kellerfußbodens in Teilbereichen und umfangreiche Grundrissänderungen im Kellergeschoß

    Rhomberg Bau GmbH
    Statische Ertüchtigung der obersten Geschoßdecke beider Gebäude

    Energieinstitut Vorarlberg
    Montage der aus statischen Gründen erforderlichen, vorgefertigten Dachelemente und Errichtung komplett neuer Dachgeschoßwohnungen

    Weitere Maßnahmen waren die Modernisierung der Bäder in einigen Wohnungen sowie Instandsetzungsarbeiten an der Haustechnik (Wasser/Abwasser, Elektroinstallation, neuer Blitzschutz…).

    Zwischenergebnisse März 2025

    Die Sanierung der beiden Mustergebäude zeigt, dass auch in baukulturell wertvollen Gebäuden sehr hohe energetische und ökologische Standards umgesetzt werden können. 

    Während die Luftdichtheitstests eine hervorragende Ausführungsqualität der Gebäudehülle belegen und die Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung problemlos funktioniert, dauert die Optimierung des Wärmeversorgungssystems im Betrieb noch an. Hauptschwierigkeit ist die Beseitigung von Schnittstellenproblemen zwischen Mess- Steuerungs- und Regelungstechnik und Wärmeversorgungssystem.

    Die Mehrkosten der hohen energetischen Hüllqualität werden großteils durch die Ener­gie­kosten­einsparungen kompensiert, die Mehrkosten der ökologischen Baumaterialien werden durch die Bundesförderungen für die Gebäudehülle in etwa ausgeglichen.

    Obwohl die Mehrkosten der hohen energetischen Qualität relativ gering waren, hätten die Gebäude ohne eine hohe Sonderförderung des Landes nicht sozialverträglich saniert werden können, da die Errichtungskosten aufgrund des starken Sanierungsstaus in etwa den Kosten der Option Abriss und Ersatzneubau entsprechen und die EVB-Konten zu Projektstart ein Minus aufwiesen.

    Das Projekt macht ein grundsätzliches, strukturelles Problem bei der Sanierung gemeinnütziger Wohngebäude deutlich: Die gesetzlichen Regelungen des Wohnungs­gemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) zu Höhe und Verwendung der Sanierungsrücklagen (EVB) sowie zu den Möglichkeiten von Mieterhöhungen bzw. Erhöhungen des EVB erlauben für viele Gebäude keine sozialverträgliche, umfassende Sanierung. Dies betrifft vor allem kleinere, ältere Gebäude mit Sanierungsstau und ohne vorhandenes Wärmeverteil- und –abgabesystem. Die beschriebenen strukturellen Probleme treten vorallem in Hochpreisregionen wie Vorarlberg auf, da die bundeseinheitlichen Sanierungsrücklagen regionale Preisunterschiede nicht berücksichtigen.

    Forschungsberichte zum Download

    Eine detaillierte Darstellung der Projektziele und Methodik, der Planung und Umsetzung sowie eine detaillierte Aufbereitung der abgerechneten Kosten ist im Zwischenbericht März 2025 zu finden – siehe Link unten.

    Auch der detaillierte Bericht zum Monitoring vor Sanierung sowie weitere im Rahmen des Projekts SüdSan erarbeitete Berichte zu Einzelthemen stehen zum Download zur Verfügung.

    Im weiteren Verlauf des Projekts SüdSan werden zusätzlich die folgenden Berichte veröffentlicht - ein Teil davon wird in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls von der FFG geförderten SdZ-Projekt PhaseOut erstellt:

    • Bewertung von Fernwärme inkl. Kraft-Wärme-Kopplung
    • Fernwärme als Option für die Südtirolersiedlung Bludenz
    • Monitoring der Mustergebäude im ersten Betriebsjahr nach Sanierung
    • Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Projekt SüdSan
    • Einsatz von Wärmepumpen im sanierten Altbau
    • Ökologische Bewertung der Mustergebäude