Rückblick I economicum Session 8 I Wohngebäude klug sanieren
Die energetische Gebäudesanierung birgt ein enormes Marktpotential, das bisher nur teilweise ausgeschöpft ist. Die vorgestellten Beispiele verdeutlichten, dass zahlreiche technische Lösungen und Konzepte bereits verfügbar sind und sich in der Praxis bewährt haben.
Resumé der Veranstaltung
Am 10. April 2019 fand die 8. Session des economicum im Raiffeisenforum Dornbirn statt. Dabei wurden verschiedene Projekte vorgestellt, die unterschiedliche Konzepte, gemessene Energieeinsparungen, Kosten und die Wirtschaftlichkeit von Wohngebäudesanierungen beleuchteten und verglichen. Die präsentierten Beispiele verdeutlichten, dass energetisch hochwertige Sanierungen ebenso architektonisch hohe Qualität bieten können.
Die energetische Gebäudesanierung stellt ein enormes Marktpotential dar, das bislang nur teilweise ausgeschöpft wird. Die vorgestellten Projekte zeigten, dass viele technische Lösungen und Konzepte verfügbar sind und sich bereits in der Praxis bewährt haben. Die gemessenen Verbräuche von energetisch optimierten Sanierungen liegen nur knapp über denen von Neubauten, und die Mehrkosten gegenüber Standardsanierungen sind so gering, dass hohe Effizienz wirtschaftlich realisierbar ist. Für Vorarlberg gilt: Mit den vorhandenen Fördersystemen sind auch hochwertige Sanierungen gut finanzierbar.
Die Themenbeiträge im Rückblick
Martin Ploss vom Energieinstitut analysierte in seinem Einführungsvortrag den Wohngebäudebestand in Vorarlberg sowie das Marktpotenzial der Gebäudesanierung. Bei etwa 180.000 Wohneinheiten und Sanierungsraten von 1,5 bis 2% pro Jahr ergeben sich Investitionsvolumina in der Größenordnung von 100 bis 300 Millionen Euro jährlich. Diese Investitionen können den Energieimport durch heimische Arbeitskräfte ersetzen.
Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrags war der Vergleich des realen Energieverbrauchs von unsanierten Gebäuden und von hochwertig sanierten Gebäuden. Während ein Großteil des Gebäudebestandes Energieverbräuche von etwa 120 bis 200 kWh/m²WNF aufweist, zeigen die vorgestellten Beispiele, dass bei hochwertigen Sanierungen Endenergieverbräuche für Heizung und Warmwasser von knapp 50 bis etwa 60 kWh/m²WNF erreicht werden können. Die Kostenanalysen zeigten, dass die Mehrkosten für derartige Sanierungen im Vergleich zu Standardsanierungen lediglich etwa 100 bis 200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche betragen.
Architekt Burkhard Schulze Darup zeigte am Beispiel eigener Projekte, dass sehr geringe Verbräuche von etwa 50 kWh/m2WNFa für Heizung und Warmwasser mit einfachen und kostengünstigen Konzepten erreicht werden können. Wie einige der Beispiele zeigen, sind vergleichbar hohe Einsparungen auch auf Quartiersebene möglich, sogar in denkmalgeschützten Ensembles konnten hohe Einsparungen erzielt werden.
In den Szenarienberechnungen von Schulze Darup für den deutschen Wohngebäudepark wurde aufgezeigt, dass – ähnlich wie für Vorarlberg – die Klimaschutzziele im Gebäudesektor erreicht werden können, wenn die heute verfügbaren und wirtschaftlichen Konzepte in Neubau und Sanierung umgesetzt werden. Eine Voraussetzung ist in Deutschland wie in Österreich und Vorarlberg, dass Sanierungsraten von etwa 1,5 bis 2% dauerhaft erreicht werden.
In seiner Präsentation „Weitergebaut“ thematisierte Architekt Manfred Stieglmeier das Thema Aufstockung und Erweiterung. In mehreren architektonisch hochwertigen Beispielen zeigte er, dass sowohl für Einfamilienhäuser als auch für Mehrfamilienhäuser in vielen Fällen gut nutzbare Erweiterungen möglich sind und dass besonders der Baustoff Holz hervorragend dafür geeignet ist. Inzwischen sind marktreife Lösungen mit hohen Vorfertigungsgraden auch für Sanierungen verfügbar.
Stieglmeier plädierte dafür, die Arbeit am Gebäudebestand als Kernaufgabe der Architektur zu entdecken und den Gebäudebestand als wichtige kulturelle, soziale, wirtschaftliche und energetische Ressource zu erkennen.Der Schwerpunkt des Vortrags von Architekt Stefan Oehler vom Büro GreenTech, Werner Sobek, lag auf der Vorstellung eines Forschungsprojekts, bei dem zwei architektonisch identische Wohngebäude mit unterschiedlichen Konzepten so saniert wurden, dass sie in der Jahresbilanz CO2-neutral sind. Die Architekten für die beiden Sanierungsprojekte wurden durch einen Wettbewerb des Deutschen Bauministeriums ausgewählt. Neben der Architektur und dem Ziel der CO2-Neutralität war im Wettbewerb auch eine Kostengrenze vorgegeben. Das vom Büro Sobek realisierte Projekt kombiniert die Effizienzstrategie des Passivhauses mit einer vollständig integrierten Photovoltaikanlage, die die gesamte Dachfläche einnimmt. Das Monitoring zeigt, dass der Energiebedarf des Gebäudes (einschließlich Haushaltsstrom) so weit reduziert werden konnte, dass die PV-Anlage im Jahresdurchschnitt deutlich mehr Ertrag lieferte als benötigt.
Das Beispiel eines Projekts in den Niederlanden verdeutlichte, dass hohe Vorfertigungsgrade auch in der Sanierung bereits Realität sind. Unter dem Namen „energiesprong“ werden dort Gebäudesanierungen durchgeführt, bei denen alle Bauteile vorgefertigt und innerhalb weniger Tage montiert werden. Dieses System ist besonders erfolgreich, da es im Rahmen von Contracting-Modellen umgesetzt wird, ohne dass die Hausbewohner eigene Mittel aufbringen müssen.
Eckart Drössler vom Energieinstitut stellte zunächst ein Projekt vor, bei dem ein Gebäude erweitert und energetisch hochwertig saniert wurde. In diesem Projekt kam die von Architekt Stiegelmeier vorgestellte TES-Fassade erstmals in Österreich zum Einsatz. Diese Fassade ermöglicht einen sehr hohen Vorfertigungsgrad bei der Sanierung von Holzfassaden.
Das Mehrfamilienhaus in Hörbranz wurde für seine Sanierung mit „Gold+“ im Gebäudebewertungssystem klimaaktiv bauen und sanieren ausgezeichnet. Diese Bewertungsklasse basiert nicht auf berechneten Bedarfswerten, sondern auf dem tatsächlich gemessenen Verbrauch. Für das Projekt liegt dieser Verbrauch für Heizung und Warmwasser bei etwa 13 kWh/m²WNF.
Der zweite Teil des Vortrags widmete sich den neuen Möglichkeiten der Objektförderung im Rahmen der Sanierungsförderung des Landes. Anhand mehrerer Wohnhausanlagen in Vorarlberg wurde gezeigt, dass eine Sanierung in höchster Qualität mit nur minimalen Mehrkosten und erheblichen Wertsteigerungen der Gebäude realisierbar ist. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Finanzierungsmöglichkeit rasch am Markt durchsetzt, um die Sanierungsrate zu erhöhen.