Auf der Suche nach der optimalen Sanierung
Zwei Mehrfamilienhäuser in der baukulturell wertvollen Südtirolersiedlung in Bludenz wurden im Rahmen des von FFG und Land geförderten Projekts SüdSan instandgesetzt, modernisiert, leicht erweitert und energetisch hochwertig saniert. Was aus dem Projekt zu lernen war.
Die wichtigsten Zwischenergebnisse vorweg:
- Die Mehrkosten für eine hohe energetische Hüllqualität sind gering.
- Die handwerkliche Ausführungsqualität der Gebäudehülle ist hervorragend. Die PV-Erträge übertreffen die Prognosen deutlich.
- Der Energieverbrauch im ersten Jahr ist niedrig, die Optimierung der Haustechnik läuft noch.
- Die Sanierungskosten lagen trotz geringer Mehrkosten für energetische Maßnahmen wegen des erheblichen Sanierungsstaus in der Größenordnung von Neubauten.
- Die Höhe der Sanierungsförderung müsste nach den wichtigsten Einflussfaktoren auf die Kosten eingestuft werden: Baualter und Allgemeinzustand, Gebäudegröße, Wärmeversorgung und baukulturelle Aspekte.

Die Siedlung in Bludenz ist mit knapp 400 Wohneinheiten die zweitgrößte der 16 Südtirolersiedlungen in Vorarlberg. Alle Gebäude sind nahezu im Originalzustand erhalten, haben einen sehr schlechten Wärmeschutz und werden ausschließlich über Einzelöfen und/oder direkt-elektrische Heizsysteme beheizt. Die Warmwasserbereitung erfolgt dezentral über Elektroboiler.
Die Ausgangslage ist herausfordernd
Bestandsanalyse, Bewohnerbefragungen und Monitoring vor der Sanierung zeigten:
- Der bauliche Zustand der Gebäude war sehr schlecht, sie wiesen einen erheblichen Sanierungsstau auf. Die größten Aufwände waren für die Abdichtungsarbeiten zur Behebung der Feuchteschäden im Keller, die statische Ertüchtigung der obersten Geschoßdecken sowie für das aus statischen Gründen notwendige neue Dach zu erwarten.
- Das Monitoring der Verbräuche vor der Sanierung zeigte, dass die beiden Mustergebäude zu den energetisch schlechtesten Mehrfamilienhäusern Österreichs gehören. Gleiches gilt für den Rest der Siedlung.
- Sowohl die gemessenen Raumlufttemperaturen, als auch die Bewohnerbefragungen vor der Sanierung zeigten, dass die thermische Behaglichkeit trotz des sehr hohen Energieverbrauchs unzureichend war – die Behaglichkeit im Winter wurde von ¾ der Bewohner*innen als schlecht bewertet.
- Trotz des erheblichen Sanierungsstaus waren die im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz vorgegebenen Sanierungsrücklagen des Erneuerungs- und Verbesserungsbeitrags nicht nur aufgezehrt, das Rücklagenkonto wies zu Projektbeginn sogar ein deutliches Minus auf. Diese Situation ist typisch für viele ältere Projekte der gemeinnützigen Bauvereinigungen.
Projektschwerpunkt: Sanierungskosten differenziert bestimmen
Da in den letzten 15 Jahren nur sehr wenige Mehrfamilienhäuser umfassend saniert wurden, waren bei Projektstart keine belastbaren Angaben zu den Kosten für Instandsetzung, Modernisierung, energetische Sanierung, Heizungsumstellung und ggf. Erweiterung kleinerer, älterer Mehrfamilienhäuser verfügbar. Verlässliche Kostendaten sind jedoch eine unerlässliche Grundlage für die Planung der weiteren Zukunft der Siedlung.
Schwerpunkt des Projekts SüdSan ist es daher, die genannten Kosten am Beispiel zweier repräsentativer Gebäude zu bestimmen und die Kostenanteile für ohnehin notwendige Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie für die thermische Sanierung und die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung zu differenzieren. Zum Vergleich sollten auch die Kosten für die Option Abriss und Ersatzneubau abgeschätzt werden.

Auf der Suche nach den niedrigsten Lebenszykluskosten
Um den Einfluss der energetischen und ökologischen Qualität zu quantifizieren, wurde eine Vielzahl möglicher Varianten in unterschiedlichen Energieniveaus mit verschiedenen Wärmeversorgungs-, Lüftungs- und Solarkonzepten und in ökologisch unterschiedlichen Ausführungen geplant und modular ausgeschrieben. Auf Grundlage von Angebotskosten und detaillierten Verbrauchsprognosen wurden Wirtschaftlichkeitsberechnungen für alle Varianten durchgeführt.
Diese zeigten, dass die niedrigsten Lebenszykluskosten in energetisch sehr hochwertigen Varianten auftreten. Die Abbildung unten links verdeutlicht die Einsparpotentiale am Beispiel des Endenergiebedarfs des kleineren Gebäudes vor und nach einer Sanierung. Der Wert vor der Sanierung wurde auf Basis der gemessenen Verbräuche für eine mittlere Raumlufttemperatur von 20° C während der Heizperiode bestimmt, der Wert nach der Sanierung unter Annahme einer mittleren Raumlufttemperatur von 22,5° C. Trotz der voraussichtlich höheren Raumlufttemperaturen nach der Sanierung zeigt sich eine erhebliche Einsparung.
Die Varianten mit den niedrigsten Lebenszykluskosten wurden zwischen Sommer 2023 und Frühling 2024 umgesetzt und seit Fertigstellung einem genauen Monitoring der Energieverbräuche und der thermischen Behaglichkeit unterzogen. Die Sanierung wurde im bewohnten Zustand durchgeführt. Für die beiden Gebäude wurden bewusst im Detail abweichende Varianten ausgeführt, die jedoch beide eine hervorragende Hüllqualität, zentrale Komfortlüftungen mit Wärmerückgewinnung, Wärmepumpen für Heizung und Warmwasser mit groß dimensionierten PV-Anlagen kombinieren.

Die wichtigsten Zwischenergebnisse
Das Projekt läuft bis Ende 2025, das Monitoring wird danach weitergeführt. Die wichtigsten Zwischenergebnisse sind nachfolgend zusammengefasst:
- Die Mehrkosten der hohen energetischen Hüllqualität gegenüber den Vergleichskosten bei Umsetzung der Mindestanforderungen waren mit ca. 70,– EUR/m2 WNF gering. Die Mehrkosten der ökologisch hochwertigen Ausführung gegenüber der üblichen Ausführung waren mit etwa 224,– EUR/m2 WNF etwas höher.
Sowohl die Mehrkosten der hohen energetischen Hüllqualität als auch die der ökologisch optimierten Konstruktionen wurden durch die inzwischen eingestellte Bundesförderung des Jahres 2024 kompensiert. Die Mehrkosten der hohen energetischen Qualität können auch ohne Förderung durch die Energiekosteneinsparung ausgeglichen werden. - Die Ausführungsqualität der Gebäudehülle ist hervorragend. Beide Gebäude erreichen in den Luftdichtheitstests Werte, die auch für Neubauten außergewöhnlich gut wären. Die Komfortlüftungsanlagen funktionieren problemlos und gewährleisten eine sehr gute Raumluftqualität.
- Die PV-Anlagen übertreffen die prognostizierten Erträge deutlich.
Dietmar Walser www.walser-image.com - Der im ersten Betriebsjahr gemessene Energieverbrauch beider Gebäude entspricht nach ersten Auswertungen gut den Berechnungen, obwohl die Optimierung der Haustechnik im Betrieb noch läuft.
- Obwohl die Mehrkosten der höheren energetischen Qualität relativ gering waren, konnten die Sanierungen nur mit hohen Sonderförderungen des Landes finanziert werden, da die Kosten für Instandsetzung und Modernisierung sehr hoch und keine Sanierungsrücklagen vorhanden waren. Die Errichtungskosten lagen beim größeren Gebäudes bei etwa 84 % der Vergleichskosten für die Option Abriss und Ersatzneubau, die des kleineren Gebäudes lagen um etwa 9 % über den Vergleichskosten. Der größte Anteil der Kosten entsteht aufgrund des Sanierungsstaus für ohnehin notwendige Maßnahmen zur Instandhaltung und Modernisierung.
- Die Analyse der abgerechneten Kosten zeigt, dass eine Differenzierung der Höhe der Sanierungsförderung nach den Haupt-Kosteneinflussfaktoren vorgenommen werden sollte. Die wichtigsten Einflussfaktoren sind:
- Baualter und Allgemeinzustand des Gebäudes. Ältere Gebäude mit erheblichem Sanierungsstau – wie die beiden Mustergebäude – haben deutlich höhere Kosten für Instandhaltung und Modernisierung als jüngere Gebäude, die regelmäßig instandgehalten wurden.
- Gebäudegröße. In kleineren Gebäude – wie den beiden Mustergebäuden – muss pro Quadratmeter Wohnfläche deutlich mehr Hüllfläche gedämmt werden als in größeren.
- Wärmeversorgungssystem vor Sanierung. In Gebäuden mit raumweisen Heizsystemen – wie den beiden Mustergebäuden – fallen erheblich höhere Kosten für die Heizungsumstellung an, da nicht nur ein neuer Wärmeerzeuger installiert werden muss, sondern zusätzlich ein komplettes Wärmeverteil- und Abgabesystem.
- Denkmalschutzanforderungen. Als Grundlage für eine mögliche Differenzierung der Sanierungsförderung werden im weiteren Projektverlauf Modellberechnungen auf Basis der abgerechneten Kosten und weiterer, im Nachhinein in Bezug auf die Kosten optimierter Varianten durchgeführt, in denen der Einfluss der genannten Kosteneinflussfaktoren abgeschätzt werden kann.
Darüber hinaus werden Energiebedarf und Treibhausgasemissionen für Betrieb und Herstellung nicht nur für die Ausführungsvarianten, sondern für zahlreiche weitere Sanierungsvarianten und Varianten der Option Abriss und Ersatzneubau berechnet. Die Ergebnisse aus dem Monitoring für das erste Betriebsjahr werden ebenso wie die Ergebnisse der beschriebenen Berechnungen in der Endveranstaltung zum Projekt am 10. Dezember 2025 präsentiert.
Den vollständigen Zwischenbericht sowie weitere Details zum Projekt SüdSan finden Sie hier.