Historische Gebäude - Baukultur oder kann das weg?
In Vorarlberg existieren aufgrund seiner Historie und der traditionell hohen Handwerkskunst im Land etwa 15.000 Gebäude, die älter als hundert Jahre sind. Ihre Bewahrung und Sanierung erfordert viel Know-How und Fingerspitzengefühl. Bei der Weiterbildung der Plattform Traumaus Althaus lernten die Expert*innen viel Neues.
Vor allem im ländlichen Raum machen historische Bauten 20-30 % des Gebäudebestandes aus. Da nur ein geringer Bruchteil davon tatsächlich unter Denkmalschutz steht, wurden Wohnhäuser mit regionaltypischer Bauweise und unverfälschtem Bauzustand als erhaltenswerte Gebäude vom Bundesdenkmalamt klassifiziert.
Abgesehen von der Bewahrung des kulturellen Erbes, sind eben solche Häuser allein aufgrund der große Anzahl für das Erreichen der Klimaschutzziele interessant. Da die Sanierung von historischen Gebäuden, um diese wieder modern nutzen zu können, viel Know-How, Fingerspitzengefühl und Kreativität erfordert, sind die Eigentümer oftmals kritisch, was die Umsetzung ihrer Wohnwünsche und die Sanierungskosten betrifft. Architekt*innen, in dem Zusammenhang Sanierungslots*innen genannt, können hier vorab unterstützen und eine Sanierungs-VOR-Beratung leisten.
Weiterbildung und Austausch für und mit Expert*innen
Dem in diesem Jahr ersten möglichen und unter strengem Covid 19 - Hygienekonzept erfolgten Sanierungsforum der Plattform Partnerbetrieb Traumhaus Althaus, ging eine Tagesveranstaltung ebenfalls zum Thema „Baukultur- oder kann das weg?“ in Dornbirn Hatlerdorf voraus.
Mitinitiiert wurden beide Veranstaltungen von dem EU-Projekt ATLAS (EU-Interreg Alpine Space Project), das sich zum Ziel macht, energieeffiziente Sanierung historischer Gebäude im Alpenraum durch verschiedene Instrumente zu unterstützen. So liefert ATLAS beispielsweise Informationen zur Spezialistensuche oder gibt Inspiration mit Hilfe einer Online Plattform, die gelungene Sanierungsbeispiele aufzeigt. Gleichzeitig wird somit international für eine nachhaltige Entwicklung der traditionellen alpinen Architektur sensibilisiert.
Anschließend an die Tagesveranstaltung mit spannenden Einblicken ins Thema, gab es die Möglichkeit für Partnerbetriebsmitglieder vorbildliche und im Vergleich dazu auch nicht sehr gelungene, erhaltenswerte Sanierungsobjekte in einem Rundgang durch den Dornbirner Stadtteil Haltlerdorf zu besichtigen. Angeleitet wurde die Exkursion von Barbara Grabherr-Schneider, Projektbetreuerin des Bundesdenkmalamtes für Dornbirn, die interessante Fakten übermittelte.
Auf den Punkt gebracht:
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ATLAS Projekte, Energieeffizienz im historischen Bestand
(Tobias Hatt, Energieinstitut Vorarlberg)
Laut Wohnbauförderung sind erhaltenswerte Wohnhäuser Gebäude, welche aufgrund des noch erhaltenen substanziell unveränderten Bauzustands eine regionaltypische Bauweise dokumentieren. Eine thermische Sanierung eben dieser hat nicht in erster Linie eine Energieeinsparung zum Ziel, sondern soll vor allem eine moderne Nutzung der Eigentümer ermöglichen.
Die rechtliche Situation ist hier nicht immer eindeutig und gemeindeabhängig verschieden. Es macht also immer Sinn im Vorfeld einen Sanierungslotsen zu beauftragen und frühzeitig die Baubehörde hinzuzuziehen.
Wenn durchschnittliche profane Gebäude in Österreich verhältnismäßig unkompliziert und energieeffizient saniert werden, sodass die gesamtösterreichischen CO2-Emissionen reduziert werden, so kompensiert dies wiederum, dass ein erhaltenswertes Gebäude gegebenenfalls nicht bis ins Letzte energetisch perfekt saniert werden kann.
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Historische Gebäude und Denkmalschutz
(Barbara Keiler, Bundesdenkmalamt)
Das österreichische Bundesdenkmalamt hat das Ziel, das kulturelle Erbe Österreichs zu erhalten, indem es dieses erforscht, schützt und pflegt. Erstaunlicherweise stehen in Vorarlberg trotz seinem traditionshaften Bauhandwerk nur 1,5% aller Gebäude tatsächlich unter Denkmalschutz. Grund dafür ist unter anderem, dass die Verfahren sehr aufwendig und zeitintensiv sind. Es gilt also unter der Masse der überlieferten Objekte, diese auszuwählen, die als unverzichtbar angesehen und für die Zukunft bewahrt werden sollen.
Eine weitere Aufgabe des Denkmalamtes ist es, bei der Sanierung denkmalgeschützter oder erhaltenswerter Gebäude als Vermittler zwischen Eigentümer*innen, Nutzenden, Planenden und Handwerker*innen aufzutreten und so auch die eigenen Interessen zu platzieren. Denn nur gut genutze und von den Eigentümer*innen geschätzte Objekte werden Jahrhunderte überdauern.
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Fenstersanierungen und historische Fenster
(Dagmar Exner, eurac research, Bozen)
Fenster- und Türkonstruktionen prägen das Erscheinungsbild eines Baudenkmals maßgeblich und bieten durch ihre typischen Konstruktionsregeln und Materialien eine historische Quelle, was sie aus denkmalpflegerischer Sicht unbedingt erhaltenswert macht.
Die in Vorarlberg am häufigsten vorkommenden historischen Fenstertypologien sind Einfach-, Verbund-, Kasten- und Winterfenster.
Da Fenster aus historischem Bestand in der Regel aber nicht luftdicht und nicht ausreichend wärmeisoliert sind und somit als unbehaglich für Bewohner empfunden werden, sind energieeffiziente Verbesserungen oft notwendig. Um also das Erscheinungsbild zu wahren und gleichzeitig Ressourcen zu schonen, ergeben sich zahlreiche Sanierungslösungen wie beispielsweise der Austausch der Innen- oder Außenverglasung, das Hinzufügen einer Vorverglasung u.v.m.
Wenn die Fenster dann weiterführend gepflegt werden, erreichen sie vielfach ein Alter von über hundert Jahren.
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Wohnbauforschung/Baualtersbestimmung mit Holzanalyse/Typologie bäuerlicher Kultur im Alpenraum
(Klaus Pfeifer, Bauforschung, Egg)
Die historische Bauforschung beschäftigt sich mit der Struktur und Entwicklung von Gebäuden mit dem Ziel diese möglichst genau zu datieren und veränderte Objekte zu rekonstruieren. Daten und Einschätzungen hierfür liefern dendrochronologische Untersuchungen (Bestimmung des Einschlagtermins von Bauhölzern anhand des Vergleichs ihres Wachstumsverlaufes mit bekannten datierten Jahresringsabfolgen) und die typologische Bestimmung eines Gebäudes.
Die zeitliche Einordnung geschieht über die Betrachtung der Hofform, wie und wo An- oder Umbauten erfolgt sind, wie die einzelnen Räume ausgerichtet sind und inwiefern die einzelnen Zimmer genutzt wurden. Dementsprechend werden die Gebäude, bzw. die über die Zeit von den Bewohnenden oder der Funktionalität angepassten Veränderungen am Hof, anhand ihrer typischen Formen und Nutzungsweisen in die entsprechenden Epochen gegliedert.
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Bauphysik – Wärmeschutz, Feuchteschutz, Substanzschutz
(Karl Torghele, Spektrum Bauphysik & Bauökologie, Dornbirn)
Da klassische bauphysikalische Berechnungsverfahren in der Bearbeitung von historischen Gebäuden meist zu Fehlinterpretationen führen, zählen hier vor allem die Erfahrung des Bauphysikers und der interdisziplinäre Austausch mit der Denkmalschutzbehörde.
Im Sinne der Energieeffizienz und der Behaglichkeit ist eine Dämmung eigentlich unumgänglich. Jedoch stellt sie, falsch ausgeführt, eine Gefahr für den Bestand dar. Um das Erscheinungsbild des Gebäudes zu erhalten, fällt die Entscheidung wie gedämmt werden soll, meist auf eine Innendämmung. Bei den bauphysikalischen Rechenverfahren von Feuchte- und Wärmeschutz darf nie nur die Wasserdampfdiffusion berücksichtigt werden, sondern auch der Feuchtetransport durch Kapillaraktivität und Konvektion. Daher eignen sich bei historischen Mauerwerken kapillaraktive, diffusionsoffene Dämmstoffe, die eine erhöhte Auftrocknung nach innen ermöglichen.
Diesbezüglich bietet eine Außendämmung, gerade bei Holzhäusern mit Schindelfassade, eine Alternative.
Weiters gilt es zu bedenken, dass bei modern genutzten Häusern, die dann ggf. mit Zentralheizung und besseren Fenster ausgestattet wurden, die Feuchtelast enorm viel höher ist als während des ursprünglichen Gebrauchs. Bei Luftundichtigkeiten in der Baukonstruktion kann es durch massiven Kondensatanfall auch bei Einsatz diffusionsoffener Materialien zu Schäden kommen.
Ebenso muss darauf geachtet werden, dass auch der Austausch von Kastenfenstern gegen Wärmeschutzfenster die thermische Situation im Leibungsanschluss verändert. Werden die neuen Fenster in die selbe Ebene des Kastenfensters gesetzt, um die äußere Erscheinung der Fassade zu erhalten, ist Schimmelbildung ohne zusätzliche Maßnahmen im Leibungsbereich vorprogrammiert.
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Arbeit im historischen Holzbau aus der Praxis
(Peter Hörmann, Mayer Holzbau)
Da früher, anders als heute, die Arbeitsstunden der Handwerker*innen günstig, das Material wiederum teuer war, wurde, gerade im Raum Vorarlberg mit seiner Holzbaukunst, detailverliebt und hochwertig gebaut. Schon aus Respekt gegenüber den Zimmermeister*innen von damals sollte die Restaurierung von erhaltenswerten Sakral- und Profanbauten möglichst vorsichtig und originalgetreu erfolgen. Um das zu bewerkstelligen, kann die Herstellung von so genannten Holzprothesen notwendig sein.
Fassaden sollten ihre Lebendigkeit durch den Erhalt bzw. die Wiederherstellung von floralen Füllungen, Opferbrettern mit Symbolik oder Zahn- oder Würfelfriese behalten. Um eine solche Sanierung zu verwirklichen, wird der Holzbestand im Vorfeld durch dendrochronologische Untersuchungen, Chroniken und Jahreszahlen an Dachstühlen etc. datiert.
Schadhaftes Holz wird durch Bohrwiderstandsmessungen, mit Messer oder Dorn, oder endoskopisch untersucht und holzzerstörerische Insekten und Pilze beseitigt. Auch Schäden an der Dachkonstruktion durch Spritzwasser, Flugschnee usw. müssen aufgenommen werden, um den Bauherr*innen eine Kosteneinschätzung geben zu können.
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Um- und Nachnutzung aus Sicht einer Architektin
(Julia Kick, Architektin, Dornbirn)
Die Architektur erhaltenswerter, historischer Gebäude sollte gelesen werden, um diese in einem architektonischen Entwurf zu interpretieren, damit der Spagat zwischen Bewahren und Verändern zu schaffen ist. Grundvorraussetzung muss hierfür jedoch der Respekt und die Wertschätzung aller Beteiligten für den Gebäudebestand sein.
Der Lohn für etwaige Kompromisse, um sowohl Gebäude als auch Raumstruktur zu erhalten, sind spannende, räumliche Situationen und die Möglichkeit für alternative Lebens- und Wohnformen.
Altes soll so viel wie möglich erhalten bleiben. Neues, Verändertes sollte wiederum klar sichtbar sein und nicht retuschiert oder versteckt werden. (Julia Kick, Architektin)
Um auch langfristig flexibel zu sein und vorrausschauend zu sanieren und gleichzeitig eine Leistbarkeit zu gewährleisten, arbeitet die Architektin mit einfachen, wenigen Materialien und wenigen, aber optimierten Schichten. So lassen sich im Bedarfsfall Konstruktionen austauschen, rückbauen oder wieder trennen.
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Exkursion durch das Dornbirner Hatlerdorf
(Barbara Grabherr-Schneider und Barbara Keiler, Bundesdenkmalamt f. Vorarlberg)
Nach kurzer Einführung startete die Exkursion für interessierte Partnerbetriebe, Sanierungslots*innen und Energieberater*innen mit einem Rundgang von der Pfarrkirche St. Leopold zum Hatler Brunnen. Das Hatlerdorf hat, als ältester Ortsteil von Dornbirn, zahlreiche architektonische Schätze vorzuweisen, an denen historische Bauweisen, dank liebevoller Instandhaltung der Bewohnenden, auch heute noch abzulesen sind.
Als erstes Objekt wurde jedoch an einem misslungenen Beispiel wie dem ehemaligen Postgebäude gezeigt, dass schon durch unpassenden Verputz und ungünstig gewählte Fenster der Charme eines historischen Gebäudes vollkommen verloren gehen kann.
Bereits auf dem Weg zum Hatler Brunnen an der Ecke Leopoldstraße-Hanggasse sieht man ganze Reihen historischer Häuser, die Dank dem Erhalt oder dem originalgetreuen Nachbau von Fassaden und authentischer Dacheindeckung ein ganz besonderes Flair erzeugen.
Am Hatler Brunnen angekommen wurde von der Expertin erklärt, dass nur drei Häuser im Umkreis tatsächlich denkmalgeschützt sind. Auf die Sanierung an einem davon wurde dann auch im Detail eingegangen. Die meisten der Gebäude im Zentrum des Ortsteils gelten jedoch als erhaltenswert und wurden durch gute Kooperation von Eigentümer*innen und Behörden in ihrer großteils ursprünglichen Form bewahrt. Nur durch die Pflege der Bewohner*innen der Straßenzüge im Hatlerdorf und der Abstimmung von Umbauten mit dem Althaussanierungs-Beirat des Landes, der Kommunen, dem Denkmalamt und den Eigentümer*innen selbst funktioniert Ortsbildschutz so vorbildlich wie hier.
Fazit:
Der Erhalt eines historischen Gebäudes und eine zeitgemäße Nutzung schließen sich in keinem Fall aus. Aus Respekt gegenüber der Kulturlandschaft und dem Bestreben die Umwelt zu schonen und pfleglich mit ihren Ressourcen umzugehen, entstehen bemerkenswerte neue Formen des Wohnens und bleiben somit auch für nachfolgende Generationen bewahrt.
Die Broschüre mit allen detailierten Informationen "Baukulutur - oder kann das weg? Impulse zur Sanierung erhaltenswerter Gebäude" können Sie gerne in unserem Broschürenshop bestellen, oder hier ansehen.
Partner*innen:
Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Sonja Neunhäuserer, Einrichtungsberatung, Immenstadt im Allgäu (Partnerbetrieb Traumhaus Althaus).
This project is co-financed by the European Regional Development Fund through the Interreg Alpine Space program.
Das Partnerbetriebs-Sanierungsforum (Exkursion) wurde im Zuge von GreenSan durchgeführt. GreenSan ist ein Projekt von Energieinstitut Vorarlberg, Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!), Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA), Energieagentur Ravensburg, Energieagentur St. Gallen und der baubook gmbh. Es wird gefördert von der Europäischen Union im Rahmen von Interreg Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein und der Energieautonomie Vorarlberg.