7 Blitzlichter aus dem Fachforum Strom & Wärme vom 10. Mai 2022
Nachdem sich die letzten beiden Ausgaben des Fachforums vor allem dem PV-Ausbau gewidmet haben, stand am 10. Mai 2022 mal wieder die Wärme im Mittelpunkt. Erkenntnisreiches lieferten profunde Gäste aus dem In- und Ausland. Ein kurzer Überblick.
Warum die Erneuerbaren den Strompreis senken
Franz Angerer, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur, eröffnet das Fachforum mit dem Blick auf das große Ganze - und skizziert, wie die Versorgung Österreichs mit erneuerbaren Energien gelingen kann. Und warum die Rede vom Standortvorteil keine grüne Floskel ist: Je mehr erneuerbarer Strom im Netz ist, umso günstiger wird der Preis - insbesondere dann, wenn der Mix an Erneuerbaren ausgewogen ist.
Was Angerer zur Aufforderung verleitet, vor allem die Windkraft in Österreich als winterstarke Alternative zur Wasserkraft und zur PV zügig auszubauen. So kostete der Strom in Deutschland am 1. Dezember 2021 windkraftbedingt nur etwas mehr als ein Drittel von dem, was in Österreich als Day-ahead-Preis zu berappen war (91 statt 244 Euro je MWh).Seit der Preiszonentrennung von Österreich und Deutschland kann und wird sich das auch zum Standortvor- oder eben -nachteil entwickeln.
Um die Stromausbauziele des Bundes bis 2030 zu erreichen, müssen laut Angerers Berechnungen in Vorarlberg übrigens rund 1.000 GWh erneuerbarer Strom zusätzlich produziert werden. Der Ausbau geht laut Angerer deutlich zu langsam voran, es fehlen vor allem ausgewiesene Flächen.
Und wie schaut's beim Gas aus? Um allfällig ausbleibende Lieferungen aus Russland zu kompensieren, muss der Gasverrbauch um ein Drittel gesenkt werden, der Rest ist durch Eigenproduktion (die kann inkl. grünem Gas mehr als verdoppelt werden) und andere Importquellen kompensierbar.
Der Boden ist wärmer, als du glaubst
Roland Koenigsdorff nimmt die Teilnehmer*innen am Fachforum mit auf einen Streifzug durch die technischen Möglichkeiten, oberflächennahe Geothermie zu Heiz- und Kühlzwecken zu nutzen. Und liefert nach einigen durchaus herausfordernden Grafiken eine übersichtliche Zusammenfassung mit klaren "Take home"-Messages: Der Boden ist wärmer, als man denkt - im Jahresmittel entspricht die Bodentemperatur nahezu der Lufttemperatur, was ihn auch in geringen Tiefen zu einer attraktiven Wärmequelle macht. Zweitens: Können Kollektoren vereisen, ist sogar eine echte Saisonalspeicherung möglich und drittens: Je einfacher die Hydraulik, umso flexibler und effizienter ist das Gesamtsystem. Die zahlreichen weniger pointierten aber um nichts weniger hilfreichen Erkenntnisse gibt's in Koenigsdorffs Buch "Oberflächennahe Geothermie für Gebäude" nachzulesen.
Von der Quagga-Muschel nicht den Spaß verderben lassen
Vor unserer Haustüre liegt ein ziemlich großer Wärmespeicher, dessen Temperatur nie unter vier Grad sinkt, und das wollen sich Thurgauer Techniker jetzt zunutze machen: die Rede ist vom Bodensee. Am Schweizer Ufer desselben sind fünf Projekte am Laufen, die den See als Wärmequelle nutzen und damit ganze Quartiere beheizen wollen. Ausgeklügelte Technik ist dabei vor allem dafür vonnöten, sich die unliebsame und neozoe Quagga-Muschel vom Leib - oder besser von den Ansaugrohren - zu halten, welche von der sich mächtig ausbreitenden Muschel binnen kurzer Zeit vollständig belegt werden. Das Potential dieses Zugangs ist beachtlich, Vorarlberg könnte ohne weiteres vollständig mit Wärme aus dem See versorgt werden. Die Bodenseekonferenz allerdings wacht mit Argusaugen darüber, dass sich der Zustand des Sees durch die Wärmenutzung nicht verschlechtert. Und Projektleiter und KEEST-Geschäftsführer Andreas Koch darüber, dass die Pilotprojekte unter anderem in Bottighofen ein Erfolg werden.
Besser als gedacht: Wärmepumpen im Feldtest
Kein Weg war den Referentinnen und Referenten zum Fachforum zu weit, der Wärmepumpen-Experte Marek Miara war aus Oslo zugeschaltet. Er berichtete von Feldversuchen, die den Freunden der Luftwärmepumpe warm ums Herz werden ließ. Denn das Ergebnis von über 100 vermessenen Wärmepumpen lautete verkürzt: Wärmepumpen können im Bestand auch bei höheren Vorlauftemperaturen gut funktionieren, wenn die Wärmepumpe selbst gut ist und sie in ein gut geplantes und ausgeführtes System eingebaut wird. Die steigenden Durchschnittstemperaturen führen zudem dazu, dass die Wärmepumpen nur in den seltensten Fällen direktelektrisch zuheizen mussten. Was das Messprojekt noch zeigte: Die JAZ von Erdsonden-Wärmepumpen war im Schnitt um 1 besser, als von Luft-Wärmepumpen und moderne Wärmepumpen sind im Bestand heute besser als jene vor 15 Jahren im Neubau. Und ein Geheimtipp auf dem Weg zur effizienten Wärmepumpe: Einfache Systeme mit weniger Komponenten sind meist besser, sagt der Profi vom Fraunhofer ISE und weiter: "Reduzieren, bis fast nichts mehr dran ist, dann gibt's wahrscheinlich ein effizientes System!"
Nicht weiter aufheizen, das Heizungsbusiness!
Das forderten der Innungsmeister der Vorarlberger Installateure Karlheinz Strele und der Geschäftsführer des Heizungs- und Sanitärgroßhändlers inhaus, Robert Küng, im Studiogespräch. Das drehte sich um Liefer- und Kapazitätsengpässe, Unsicherheiten in der Planung, Preisentwicklungen und Möglichkeiten, auch jenen den Umstieg auf ein klimafreundliches, zukunftsfähiges Heizsystem zu ermöglichen, die nicht mal eben 30.000,- Euro auf der hohen Kante haben. Und statt noch mehr Förderungen wünschten sich die beiden vom Land eine hochwertigere Haustechnik-Ausbildungsschiene. Und gaben der Hoffnung Ausdruck, dass sich die Situation im Lauf des kommenden Jahres wieder beruhigen könnte.
Von wegen heiße Luft: Komfortlüftungen
Unterschiedliche Zugänge der Bundesländer verhindern eine stärkere Verankerung der Komfortlüftung österreichweit im Baurecht, stellte der Obmann des Vereins komfortlüftung.at Andreas Greml fest. Welche er sich - nona - natürlich wünsche. Wohlbegründet, denn ohne Komfortlüftung ist ein hygienischer Luftwechsel selbst in einem modernen Einfamilienhaus in den meisten Räumen eigentlich nicht zu bewerkstelligen. Und auch wenn sich das Bewusstsein für die Raumlufthygiene mit der Corona-Pandemie geschärft habe, fehle doch noch der entscheidende Wille, diese aus hygienischer und energetischer Sicht empfehlenswerte Maßnahme stärker zu verankern.
Keinstaub bei modernen Pelletsanlagen
Wer sich mit dem Thema Feinstaub beschäftigt, weiß, dass es vor allem alte Holzheizungen und Kaminöfen sind, die einem fast schwarz vor Augen werden lassen, obwohl man den Feinstaub ja gar nicht sieht. Moderne Pelletsanlagen und Holzfeuerungen wurden deshalb wenig überraschend von der Präsidentin des deutschen Energieholz- und Pelletverbandes Beate Schmidt-Menig vom Vorwurf, Feinstaub zu schleudern, freigesprochen. Mehr als das Thema Feinstaub beschäftigte bei den nachfolgenden Fragen allerdings die Verfügbarkeit und der Preis von Pellets: letzterer zieht mit steigenden Strom- und Gas- bzw. Dieselpreisen zumindest etwas mit, weil die Pellets halt auch verarbeitet und transportiert werden müssen. Die Verfügbarkeit bereiteten ihr auch bei steigender Nachfrage keine schlaflosen Nächte, in Deutschland könnten nocheinmal so viele Pelletsanlagen mit heimischem Brennstoff versorgt werden, wie derzeit in Betrieb sind.
Das nächste Fachforum Strom & Wärme findet im Herbst 2022 statt. Damit Sie es nicht verpassen, abonnieren Sie am besten unseren Newsletter am Ende dieser Seite.