Altbaujuwel mit Gefühl fürs Detail restauriert
Ein Stadthaus von 1904, das seinen Jugendstil-Charme behalten durfte – und nun modernen Wohnkomfort bietet: Doris Hämmerle-Ilg und Planer Manfred Bertsch zeigen, wie behutsame Sanierung echte Wohnqualität schafft. Und das Sanierungsprojekt nicht umsonst Haus des Monats im August 2025 bei GOAltbau wurde.

Im folgenden Interview berichten Bauherrin Doris Hämmerle-Ilg und Planer Manfred Bertsch, wie sie bei der Sanierung eines historischen Stadthauses von 1904 den originalen Jugendstilcharme bewahrt und gleichzeitig moderne Wohnstandards umgesetzt haben. Sie geben Einblicke in die behutsame Fassadenerneuerung, die thermische Modernisierung verschiedener Bauweisen und in die detailgetreue Restaurierung historischer Elemente.
Frau Hämmerle-Ilg, wie kam es dazu, dass Sie beschlossen haben, ein über 100 Jahre altes Stadthaus zu sanieren?
Doris Hämmerle-Ilg: Die Oma hat sich gewünscht, dass wir es übernehmen. Nach reiflicher Überlegung haben wir uns dafür entschieden, es für die nächsten Generationen zukunftsfit zu machen.
Was war euch dabei wichtig?
Doris Hämmerle-Ilg: Für uns war klar: Wenn wir dieses Haus übernehmen, dann soll es in seinem Charakter erhalten bleiben. Es hat so viel Geschichte – und genau diese wollten wir behutsam herausarbeiten, ohne auf heutigen Wohnkomfort zu verzichten.
Wie seid ihr bei der Umsetzung vorgegangen?
Doris Hämmerle-Ilg: Wir haben jemanden mit Fingerspitzengefühl gesucht – und mit Manfred Bertsch von planbertsch einen Partner gefunden, der das Haus genauso verstanden hat wie wir. Er hat die Planung übernommen und uns während des gesamten Projekts begleitet.
Manfred Bertsch: Mir war wichtig, erst mit den Handwerker*innen zu sprechen. Bei einem Altbau wie diesem ist ja nichts standardisiert.
Wer oder was sind eigentlich die Sanierungslots*innen?
Die Sanierungslots*innen und helfen dabei, vor dem Start der eigentlichen Sanierungsplanung herauszufinden, was Haus und Bewohner*innen für eine gute Entwicklung des Gebäudes brauchen. Dabei gehen sie besonders ergebnisoffen vor. Sie sind Planer*innen und Architekt*innen, die sich speziell auf die Anforderungen vor der eigentlichen Planungsphase einstellen. Dazu zählen rechtliche Grundlagen ebenso wie eine gute Kommunikation.
Mehr Infos zur Potentialberatung Altbau.
Welche baulichen Maßnahmen wurden denn an der Fassade und im Außenbereich umgesetzt?
Manfred Bertsch: Die Fassade zur Straße blieb in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Sie wurde gereinigt, neu verputzt und im Rahmen eines eigens entwickelten Farbkonzepts farblich neu gefasst. Die nordseitige Fassade mit Eternitschiefer aus den 1950er- und 60er-Jahren verkleidet, wurde in diesem Zuge aufgewertet und dem Gesamtkonzept angepasst. Im Erdgeschoss wurde ein umlaufendes Gesims angebracht, das Obergeschoss erhielt eine neue Dämmung mit hinterlüfteter Putzfassade. Fensterverzierungen wurden den anderen Fassadenseiten angeglichen, sodass nun ein einheitliches Gesamtbild entsteht. Der Sockelputz wurde behutsam restauriert.
Welche besonderen Herausforderungen brachte die Sanierung mit?
Manfred Bertsch: Die Vielfalt an Bauweisen der Geschosse – vom Bruchsteinmauerwerk im Keller bis zur Fachwerkkonstruktion im Dach.
"Und eine ganz besondere Herausforderung war die durchgängige Verlegung einer Dampfbremse vom Obergeschoss bis zum Dach: Da musste jeder einzelne Deckenbalken separat abgedichtet werden."
Manfred Bertsch, Planer
Wie habt ihr den Innenraum gestaltet? Wie historische Elemente erhalten und gleichzeitig modernen Wohnkomfort gewährleistet?
Doris Hämmerle-Ilg: Im Bodenaufbau wurde ein Trockenestrich mit Fußbodenheizung von Variotherm verlegt, ergänzt durch Parkett oder Fliesen. Bei den historischen Bauteilen wie Türen, Täfer oder der massiven Eichentreppe, da haben wir alles, das irgendwie ging, so gut wie möglich ausgebaut, restauriert und an derselben Stelle wiedereingesetzt. Vier antike Öfen mit Emailgehäuse, die wurden vermutlich um 1900 in Bludenz produziert, wurden wieder in Schuss gebracht. Diese werden nun teilweise mit Holz, teilweise mit Wasser beheizt. So gibt es nun in jedem Stockwerk einen Raum, der nach Bedarf zusätzlich mit Ofen beheizt werden kann.
Wo mussten moderne Lösungen besonders sensibel integriert werden?
Manfred Bertsch: Ein gutes Beispiel hierfür sind die historischen Außenrollläden, deren Kästen sichtbar im Innenraum oberhalb der Fenster angebracht und mit Holz verkleidet sind. Die wurden detailgetreu rekonstruiert – jetzt aber mit elektrischer Bedienung. So bleibt der historische Look erhalten – und die Technik erfüllt heutige Standards.
Wie seid ihr bei der Raumaufteilung vorgegangen?
Doris Hämmerle-Ilg: Die Raumaufteilung des Hauses haben wir tatsächlich nahezu im Original belassen – bis auf eine Kleinigkeit: Wir haben das Schlafzimmer halbiert und daraus eine Küche und ein Bad gemacht – und das an der Sonnenseite. Das Schlafzimmer haben wir in den Norden verlegt. Das war eine super Lösung.
Was nehmen Sie persönlich aus dem Sanierungsprojekt mit?
Doris Hämmerle-Ilg: Mich begeistert, wie viel Leben und Geschichte in alten Häusern steckt. Es ist ein tolles Gefühl, diesen Schatz zu bewahren und gleichzeitig neue Wohnqualität zu schaffen. Was uns geholfen hat: unserem Gefühl zu vertrauen und Gleichgesinnte, die dasselbe Verständnis für den Altbau haben.
Manfred Bertsch: Jedes Altbauprojekt ist ein Unikat, das viel Erfahrung und Flexibilität erfordert. Wichtig ist, den Bestand genau zu analysieren und behutsam zu planen. Nachhaltigkeit und ressourcenschonende Maßnahmen sollten dabei auch im Fokus stehen.
„Alles in Allem war es eine feinfühlige Kombination aus Bestandssicherung, ökologischer Verbesserung und technischer Aufwertung – mit möglichst wenig Eingriff in den Charakter des Hauses.“
Doris Hämmerle-Ilg, Bauherrin
Vielen Dank für das Gespräch.
Manfred Bertsch ist Sanierungsberater und langjähriges Mitglied der Plattform Partnerbetrieb Traumhaus Althaus. Erfahren Sie mehr über die Sanierungsspezialist*innen: www.partnerbetrieb.net.
Factbox
- Baujahr: 1904
- Stil: Jugendstil
- Geplante Nutzung: Zwei Wohneinheiten
- Fassade: Original erhalten, Nordseite gedämmt
- Fenster: Holz, 2-fach-Verglasung, elektrische Holzrollläden
- Innenwanddämmung: Calce Clima
- Dachausbau: Zellulosedämmung, OSB-Platten, Fußbodenheizung (Variotherm)
- Schall & Brandschutz: Mineralwolle + Gipskarton
- Beteiligte Betriebe: planbertsch, Röfix, sto GmbH
Mehr Details über diese erfolgreiche Sanierung und weitere nachahmenswerte Beispiele finden Sie in der Sanierungsgalerie www.sanierungsgalerie.at
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projekts GO Altbau und wird gefördert durch das INTERREG Programm Bayern-Österreich 2021-2027 - ein Programm der Europäischen Union. Das Energieinstitut Vorarlberg und die weiteren Projektpartner stellen im Rahmen des Projekts jeweils zwei Mal jährlich besondere Beispiele von energetischen und ökologischen Sanierungen als "Haus des Monats" vor. Ziel ist es, andere Hausbesitzer zu inspirieren und zu motivieren, ihre eigenen Häuser zukunftsfähig zu gestalten.