Lüftung in historischen Gebäuden und Schulen
Die Diskussion über richtiges Lüften ist seit der Corona-Pandemie so aktuell und wichtig wie nie. Unter anderem in Schulen und auch bei sanierten historischen Gebäuden, macht der Einbau einer modernen Lüftungsanlage mehr als Sinn.
Was die Herausforderungen und Schwierigkeiten hierbei sein können und was für kreative Lösungsansätze bereits gefunden worden sind, wurde beim Sanierungsforum der Plattform Partnerbetrieb Traumhaus-Althaus im Firmengebäude des Lüftungsspezialisten drexel und weiss in Wolfurt, besprochen.Durch langen Aufenthalt in Innenräumen erhöht sich nicht nur die Schadstoffkonzentration durch Baumaterialien, sondern es reichern sich aufgrund der Ausatmung auch Kohlenstoffdioxid, Viren und Bakterien an.
Durch regelmäßiges und effektives Lüften kann die Raumluftqualität zwar verbessert werden, jedoch zeigt die Praxis, dass die Umsetzung dessen oft unzuverlässig und je nach Raum- und Wetterbedingungen schwierig ist. Eine kontrollierte Be- und Entlüftung schafft hier Abhilfe. Vor allem in Schulen, wo die Gesundheit und Konzentrationsfähigkeit der Kinder an erster Stelle stehen sollte und auch bei Sanierungen historischer Gebäuden, deren Bausubstanz geschützt werden muss, macht der Einbau einer modernen Lüftungsanlage mehr als Sinn.
Die Veranstaltung fand passenderweise im Firmengebäude des Haustechnikspezialisten drexel und weiss energieeffiziente Haustechnik GmbH in Wolfurt statt, wo im Zuge einer Führung durch die verschiedenen Abteilungen auch diverse Lüftungsmodelle präsentiert wurden.
Drexel und weiss ist bereits seit 15 Jahren auch auf Schullüftungen spezialisiert und agiert europaweit. Vor vier Jahren hat die Firma das bisher einzige passivhaus-zertifizierte Schullüftungsgerät auf den Markt gebracht.
Die anschließenden Vorträge der Fachfrauen und -männer vertieften das Thema „Lüftung in historischen Gebäuden und Schulen“, zeigten auf, was möglich ist und präsentierten, welche Projekte bereits umgesetzt wurden.
Auf den Punkt gebracht:
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Richtig Lüften in Covid-Zeiten
(Dipl.-Ing. (FH) Michael Braun M.Sc. MBA, Energieinstitut Vorarlberg)
Je höher die Schadstoffkonzentration in der Raumluft, desto problematischer für die Gesundheit. Im Zuge der Covid-19-Pandemie rückt dieser Fakt noch viel mehr in den Vordergrund und zeigt, wie wichtig eine gute Lüftung von Arbeits- und Privaträumen ist. In diversen Studien wurde nicht nur getestet, wie sich beispielsweise die CO2-Konzentration auf das Leistungsvermögen auswirkt, sondern es wurde auch die übliche Fensterlüftung einer mechanischen Lüftung mit einer kontrollierten Be- und Entlüftungsanlage gegenübergestellt. Die Ergebnisse waren überzeugend. Nicht nur, dass die Schadstoffmengen in der Raumluft markant niedriger sind als bei der Fensterlüftung, auch schafft die Lüftungsanlage einen höheren Komfort, da die Raumtemperatur weniger differiert. Bei entsprechend hoher Gebäudedichte ist auch die Heizwärmeeinsparung durch die Wärmerückgewinnung nicht von der Hand zu weisen.
Tipp 1: Energieeffizienz von Lüftungsgeräten steigern
Die Energieeffizienz von Lüftungsgeräten lässt sich steigern, indem die Geräte außerhalb der Nutzungsphasen abgeschaltet werden, die Volumenströme an den tatsächlichen Bedarf (ggf. „Covid-Zuschlag“ beachten) angepasst werden, sowie Ventilatoren und Motoren gegen moderne, hocheffiziente Komponenten ausgetauscht werden.
Tipp 2: Lüftungsanlage nicht zu hoch fahren
Trotz Corona ist es ratsam die Lüftungsanlage nicht zu hoch zu fahren, da die Raumluft sonst zu trocken wird und die Schutzfunktion der Schleimhäute negativ beeinflusst.
Tipp 3: Genaue Betrachtung der RTL Anlagen
Wichtig in Covid-Zeiten: Raumlufttechnischen Anlagen (RTL-Anlagen) werden in Lüftungsgeräte mit und ohne Lüftungsfunktion unterteilt. RTL-Anlagen ohne Lüftungsfunktion, wie beispielsweise Um- oder Mischluftgeräte sollten genauer betrachtet werden. Wenn möglich, sollte bei Mischluftgeräten der Umluftanteil abgeschaltet werden, weil eventuell kontaminierte Raumluft abgesaugt und wieder eingeblasen wird.
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Lüftung in historischen Gebäuden
(Dr. -Ing. Rainer Pfluger, Universität Innsbruck)
Bereits 1854 wurden Gebäude, wie zum Beispiel das House of Commons, über Kamine oder über mit Dampfmaschinen betriebenen Ventilatoren belüftet.
Bei historischen Gebäuden heutzutage stellt sich ebenfalls die Frage, ob und wie eine kontrollierte Lüftungsanlage eingebaut werden soll.
Wenn das Gebäude durch Sanierung (z. Bsp. Fenstertausch) sehr dicht ist, ist die Lüftung wegen potenzieller Schimmelbildung aufgrund mangelnder Wärmedämmung besonders wichtig, um künftig Bauschäden zu vermeiden.
Die Umsetzung gestaltet sich in historischen Häusern natürlich weitaus schwieriger als bei modernen Bauten. Probleme wie eine zu niedere Raumhöhe, denkmalpflegerische Vorgaben und ein geringes Platzangebot stellen den Planer*innen vor schwierige Aufgaben. Kanäle sollten also möglichst sparsam eingesetzt werden, was über Kaskadenlüftung oder aktive Überströmer umsetzbar ist.
Es besteht also durchaus die Möglichkeit historische Gebäude nicht nur bewohnbar, sondern, unter anderem mit Hilfe einer Lüftungsanlage, ein angenehmes und gesundes Wohnklima darin zu schaffen.
Tipp 1: Historic Building Atlas
Gelungene Beispiele für historische Sanierungen können Interessierte und betroffene Bauherrinnen und- herren im Historic Building Atlas als Teil des ATLAS-Projektes nachschlagen.
Tipp 2: richtiger Standort
Damit keine Bausubstanz verletzt werden muss, ist es ratsam das Gerät an der richtigen Stelle im Haus zu platzieren, beispielsweise als substanzschonende Wandintegration.
Tipp 3: typische Optik beibehalten
Um die typische Optik einer historischen Gebäudefassade beizubehalten, besteht die Möglichkeit die Außenluftansaugung über einen Schlitz unter dem Fensterblech verlaufen zu lassen.
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Schulgebäude-Erneuerung 5.0 – Best Practice aus Chur
(Ing. Alfons de Stefani, Adapt GmbH Chur)
Da in der Stadt Chur Sanierungsarbeiten an mehreren Schulen und Kindergärten anstanden, wurde das Projekt „Musterklasse Giacometti – Untersuchung über klassenzimmerweise Lüftungslösung in der Sanierung“ ins Leben gerufen. Hier wurde eine Musterklasse errichtet, in der diverse Sanierungsmaßnahmen, wie der Einbau eines Komfortlüftungsgerätes mit CO2-Regelung, LED-Beleuchtung, massenspeichernde Oberflächen wie Föhrenholzbälkchen, etc. vorgenommen wurden.
Untersucht wurde diese Musterklasse im Vergleich zu zwei nicht veränderten Standardklassen, die nur mit Messinstrumenten ausgestattet wurden. Bei diesen wurde die Lüftung über verschiedene Methoden der Handlüftung durch das Lehrpersonal durchgeführt, die sich aber auf Dauer allesamt nicht etablieren konnten.
Das Ergebnis des dreijährigen Monitorings war eindeutig: die CO2-Situation war im Musterzimmer immer gut bis sehr gut, in den Vergleichszimmern jedoch zu oft im ungenügenden Bereich. Trotz des erhöhten Stromverbrauchs durch die Lüftungsanlage konnte fast 50% des Gesamtstroms durch die verbesserte Beleuchtungssituation eingespart werden. Außerdem wurde im Musterzimmer nahezu 40% weniger Wärmeenergie verbraucht, als in den Referenzzimmern.
Dies beeinflusste die Kostenfrage insofern, dass auch bei regelmäßigem Filtertausch, bei einer Amortisation von 20 Jahren lediglich die Investivkosten, die sich auf 40-80 € pro Schüler und Jahr belaufen, zu decken sind.
Die Gesundheit der Kinder und der ökologische Gedanke waren es der Stadt Chur wert und so wurden bereits mehrere Schulgebäude und Kindergärten entsprechend saniert, was aufgrund baulicher Gegebenheiten, wie z.Bsp. Stahlträger, Platzmangel für Geräte oder alte Verschattung, oft kniffliger Lösungen bedurfte.
Tipp 1: geringe CO2 Konzentration
Bei geringer CO2-Konzentration der Raumluft sinkt die Keimzahl und somit die Krankheitsübertragung deutlich. Luftwäscher durch UVC-Bestrahlung und HEPA Filter sind umstritten und durch die Luftmengen und Schallbelastung für ein Klassenzimmer ungeeignet.
Tipp 2: automatische Nachtauskühlung
Im Sommer führt die automatische Nachtauskühlung durch das Lüftungsgerät vor allem in Kombination mit erhöhter Speichermasse zu wesentlich angenehmeren Raumklima.
Tipp 3: Müdigkeit bei Schüler*innen
Bei einem dreitägigen Lüftungsausfall an einer sanierten Schule, war für die Lehrer*innen markant zu beobachten, dass ab circa 10.30 Uhr eine starke Müdigkeit bei den Schüler*innen zu beobachten war, was wiederum praktikabel den Sinn einer Belüftungsanlage aufzeigt.
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Energieeffiziente Altbausanierung in der Praxis
(DI Dr. Andrea Vogel-Sonderegger, Planungsbüro Wolfurt)
Die Architektin Andrea Vogel-Sonderegger (Mitglied der Partnerbetriebe Traumhaus Althaus) stellte in ihrer Präsentation diverse von ihr geleitete und sehr gelungene Sanierungsprojekte vor, bei denen Energieeffizienz und Ressourcenschonung oberste Priorität hatten, ohne das Gestalten der Architektur und des Designs aus den Augen zu verlieren.
Im Zuge der „Faktor 10“ – Sanierung, ein Pilotprojekt der VOGEWOSI, bei dem vier Wohnungsanlagen durch Passivhaustechnologie saniert wurden, stellte Frau Vogel-Sonderegger eines davon vor. Das Gebäude in Rankweil wurde bestmöglich gedämmt, die alte Ölheizung durch Gas-Brennwertgeräte ersetzt, Wärmebrücken wurden entschärft, Balkone in die thermische Hülle integriert, etc.. Interessant an diesem Projekt war auch, dass eine Zusammenarbeit und Schulung der Hausbewohner*innen unumgänglich ist, da erst dadurch die gewünschte Reduktion des Energieverbauchs erzielt wurde.
Weiters wurde eine historische Sanierung präsentiert, das Pfarrhaus in Wolfurt. Der Gestaltungsbeirat der Gemeinde war hier maßgeblich an der Planung beteiligt, welcher entschied, dass das Gebäude, obwohl ein Neubau mit etwas geringerer Nutzfläche monitär gleich gewesen wäre, in seinen historischen Urzustand zurückgebaut werden sollte. Die Fassade und die oberste Geschoßdecke wurden also mit Hanf gedämmt, der Sockel wurde saniert, auch wenn der Keller durch aufsteigende Nässe feucht bleiben darf. Fensterlaibungen sowie die neuen Fenster wurden nach historischem Vorbild gestaltet. Durch die neue Technik im historischen Erscheinungsbild wurde das Pfarrhaus Wolfurt schlussendlich als erhaltungswürdiges Objekt eingestuft.
Was außerdem immer beliebter wird, ist die Umgestaltung eines Werkraums zum Wohnraum. Vorgestellt wurde ein kreatives Beispiel hierfür, bei dem ein ehemaliges Wirtschaftsgebäude in Wolfurt in ein Wohnhaus für mehrere Generationen umgebaut wurde. Die statische Holzkonstruktion war hier zwar zu schwach, aber die Silhouette des Massivbaus mit seinen charmanten Bogenfenstern sollte erhalten bleiben. Trennbarkeit und Abwandelbarkeit war den Bauherr*innen sehr wichtig, weshalb die zunächst großen Räume, jederzeit und ohne großen Aufwand abtrennbar sind. Eine gleichzeitig funktionelle sowie sehr ästhetische Besonderheit sind die Beschattungslamellen aus Holz vor den riesigen Fenstern im Dachgeschoß, die je nach Sonnenstand gedreht werden können.
Tipp 1: Kosten abwägen
Die Kosten, gerade auf Langzeit gesehen, sprechen meist dafür, dass der Bestand, wenn möglich, erhalten bleibt. Weshalb Sanierungen auch immer mehr zunehmen.
Tipp 2: Altholz wiederverwenden
Auch wenn Altholz aufgrund mangelnder Statik vom Altbau abgetragen werden muss, kann dieses als Eyecatcher im Innenraumbereich zum Beispiel als Wandverzierung kreativ wiederverwendet werden.
Fazit:
Alte Häuser brauchen frische Luft! Um eine Bauschadensfreiheit durch sichere Entfeuchtung mit kontrollierter Belüftung zu gewährleisten, brauchen gerade historische Gebäude kreative Lüftungslösungen.
Auch in der Schule muss die Gesundheit der Kinder an erster Stelle stehen. Dass dies im Schulalltag durch optimale Raumluftverhältnisse umsetzbar ist und der Einbau von entsprechenden Lüftungsanlagen mit überschaubarem finanziellem Aufwand möglich ist, wurde durch Studien belegt.
Raumlufttechnik ist ergo eine Technik der Zukunft, die auch nach der COVID-19-Pandemie aufgrund ihrer vielen Vorteile und Weiterentwicklungen aktuell bleiben wird.
Partner*innen:
Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Sonja Neunhäuserer, Einrichtungsberatung, Immenstadt im Allgäu (Partnerbetrieb Traumhaus Althaus).
This project is co-financed by the European Regional Development Fund through the Interreg Alpine Space program.
Das Partnerbetriebs-Sanierungsforum (Exkursion) wurde im Zuge von GreenSan durchgeführt. GreenSan ist ein Projekt von Energieinstitut Vorarlberg, Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!), Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA), Energieagentur Ravensburg, Energieagentur St. Gallen und der baubook gmbh. Es wird gefördert von der Europäischen Union im Rahmen von Interreg Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein und der Energieautonomie Vorarlberg.